Der Zuhör-Kiosk
Lesedauer 2 Min.Das Ohr von Hamburg
Mitten im Untergrund zwischen zwei Gleisen steht ein Ohr weit offen: Dort hat Autor Christoph Busch einen Gleiskiosk in einen Zuhörkiosk verwandelt. Aus dem ganzen Stadtgebiet finden Menschen hier Gehör – offen, bedingungslos und zu 100 % privat. Was 2015 als ein literarisches Experiment begann, entwickelte sich zu einer Mission, die heute um die 20 ehrenamtliche Zuhörer*innen antreibt: der Stadt ein Ohr zu leihen.
Er hört und sieht alle und jeden: die Paare und Passant*innen, die Tourist*innen und die Pendler*innen – und spricht sie direkt an. „Was traue ich mich? Zuhören ist auch eine persönliche Herausforderung“, sagt Christoph Busch während sein Blick einladend über den Bahnsteig schweift. Wenn die Menschen aber die Schwelle in den Kioskraum überschritten haben, dann sind sie es, die sich etwas trauen. Auf 3,5 Quadratmetern finden sie eine einzigartige Oase, einen Stuhl – und zwei wache Ohren. Während links und rechts die U2 surrt, erzählen Menschen geradeheraus, was sie bewegt. „Oftmals sind es traurige Geschichten“, stellte der Wahlhamburger fest, bis er verstand, dass hier „mutige Menschen reinkommen, die etwas für sich tun wollen. Es sind letztlich mutige Geschichten.“
„Wir leben in einer Zeit, die so übervoll ist von konkurrierenden Botschaften und Gefühlsansprüchen, dass wir unseren Gefühlen misstrauen“, erzählt Busch. „Hier begegne ich Menschen, die um die Selbstbestimmung ihrer Gefühle kämpfen.“ Das Ohr an der Emilienstraße ist keinesfalls nur ein Ort fürs Viertel. Aus dem ganzen Stadtgebiet, teilweise auch von außerhalb, zieht es Menschen in den Zuhörkiosk: „Wer hier reinkommt, bestimmt das Thema – das unterscheidet uns von anderen Beratungsstellen“, so Busch. Und natürlich der direkte Draht, das ganz Persönliche. Anders als in der Telefonseelsorge treffen er und sein Team aus Zuhörer*innen die Menschen unmittelbar an – und können somit direkt und ungefiltert über Gestik, Mimik und Körpersprache in den Austausch gehen. Das erleichtert die Kommunikation.
Christoph Busch studierte Anfang der Sechziger-Jahre Jura mit dem Ziel, Diplomat zu werden – und beendete dann beeindruckt von der 68er-Revolution sein Studium. Er betrieb einen Piratensender und ein Antiquariat und schrieb diverse erfolgreiche Drehbücher für Rundfunk und Fernsehen. Der Vater zweier Töchter lebt in Eimsbüttel – und öffnet sich jede Woche für alle, die etwas loswerden möchten. Als Teil eines Teams, das sich immer über neue Leute freut.
Weitere Informationen:
Der Zuhör-Kiosk in der
U-Bahnstation Emilienstraße
Offen: Montags bis freitags, 12:00–18:00 Uhr
Website:www.zuhör-kiosk.de